Marksteine für Bildung mit Freude und Lernen ohne Schulzwang

6. Juli 2008

SCHULZWANG-GEDENKTAG

06. Juli: Schulzwang-Gedenktag, Reichsschulpflichtgesetz 1938

Zum ersten Schulzwang-Gedenktag hat das Netzwerk Bildungsfreiheit eine Presseerklärung herausgegeben und eine Sonderseite eingerichtet, auf der die Presseerklärung und weitere Informationen zum heutigen Tag zu finden sind.

Ergänzend dazu ergeht ein Offener Brief mit folgender Forderung an die Redaktionen verschiedener Zeitungen und einige politische Entscheidungsträger und Verantwortliche im Bildungswesen.

Lernen ohne Zwang sollte endlich Realität werden!

Zum 70. Jahrestag der erstmaligen gesetzlichen Verankerung des sogennanten Schulzwangs.

In Deutschland gibt es einmalig in Europa und vermutlich auch einmalig weltweit den sogenannten Schulzwang-Paragraphen. Schulzwang bedeutet, daß Schüler mit Hilfe der Polizei und notfalls unter Einsatz von Gewalt der Schule zugeführt werden dürfen. Erstmals gesetzlich verankert wurde der Schulzwang durch das Reichsschulpflichtgesetz – vor genau 70 Jahren am 6. Juli 1938. * (vgl. Fußnote)

Da Schulgesetzgebung Ländersache ist, gilt dies für die meisten deutschen Bundesländer. In manchen Ländern gibt es den Schulzwang schon sehr lange, in Hamburg dagegen wurde er erst im Jahr 2005 als Reaktion auf den Tod der kleinen Jessica eingeführt. Jessica wäre eigentlich schulpflichtig gewesen, hatte aber nie eine Schule besucht und war in ihrem Elternhaus jämmerlich verhungert.

Aktuell vom Schulzwang betroffen sind Schüler, die beim Schwänzen angetroffen werden, Schüler, die längere Zeit den Schulbesuch verweigern oder Schüler, die nicht legalisierte Bildungswege wie Homeschooling oder das Lernen per Fernschule gewählt haben. Behördenvertreter und Politiker hoffen, mit solch drastischen Maßnahmen traurige und betroffen machende Fälle wie den von Jessica zukünftig vermeiden zu können. Wenn es eine Schulpflicht gibt, evt. künftig sogar einmal eine Kindergartenpflicht, kann der Staat, wenn diese nicht eingehalten wird, dafür sorgen, dass Kinder, wenn nötig mit Gewalt, in Obhut genommen und in die entsprechenden Einrichtungen gebracht werden.

Aber, hilft das wirklich weiter? Was geschieht mit Kindern wie Jessica in den schulfreien Zeiten? An den Abenden, in den Nächten, in den Ferien? Sollte man nun deswegen alle Kinder rund um die Uhr verpflichtend in Einrichtungen verbringen, am besten sofort nach ihrer Geburt, damit die wenigen schlechten Eltern keinen Schaden mehr anrichten können? In Wirklichkeit ist der Schulzwang menschenrechtswidrig.

Oft haben Eltern und Kinder gewichtige Gründe, die gegen einen Schulbesuch sprechen: Hochbegabung, Lernschwierigkeiten, traumatische Erfahrungen, z. B. durch den Verlust eines Elternteils, Behinderungen und fortgesetztes Mobbing sind einige davon. Unter individueller Betreuung und Begleitung zu Hause können solche Kinder ihren Voraussetzungen entsprechend Leistungen erbringen, die sie in der Schule nie erreichen würden. Auch die vielen Schulschwänzer haben zumeist ernstzunehmende Gründe für ihr Fernbleiben von der Schule, etliche von ihnen meiden die Schule aus Angst vor Gewalterfahrungen, oder weil sie dort mit ihren Voraussetzungen einfach keinen Anschluss an den Lehrstoff finden können. Solchen Fällen mit zum Teil massiver Staatsgewalt zu begegnen, ist nicht richtig. Im Gegenteil müssten Bildungswege gefördert werden, die auch hier noch Erfolge bringen.

Sollten wir nach 70 Jahren den Schulzwang nicht lieber fallen lassen? Kinder und Jugendliche, die von den Bildungssystemen so angenommen werden, wie sie sind und denen man eine ihrem Wesen entsprechende Chance gibt, werden diese Chance auch ohne staatliche Zwangsmaßnahmen ergreifen. Darauf können wir vertrauen. Fehlen diese echten individuellen Chancen, werden auch Zwangsmaßnahmen keinen Erfolg bringen, das zeigen auch die vielen tausend Kinder, die jedes Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen. Der Erfolg von Fernschulen wie der Deutschen Fernschule für Auslandsdeutsche und der Flex-Fernschule für Schulverweigerer und Jugendliche, die aus Schulen komplett ausgeschlossen wurden, weist in diese Richtung.

Daher fordern Betroffene sowie die Mitarbeiter und Unterstützer verschiedener Organisationen, die sich für Bildugsfreiheit einsetzen, die Verantwortlichen im Bildungswesen auf: „Lasst endlich Lernen ohne Schulzwang und Bildung ohne Schulbesuchspflicht Realität werden!“ Genauso wie dies in vielen anderen europäischen und außereuropäischen Ländern heute schon Realität ist, wie beispielsweise beim PISA-Sieger Finnland.

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*)

Fußnote: [Gesetzestexte wie hier]

1 Kommentar »

  1. […] Link zum Offenen Brief […]

    Pingback von Offener Brief zum Schulzwang-Gedenktag « KiFaSchuLe — 6. Juli 2008 @ 11:53 pm


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